Hereinspaziert!

Marketing als Einstieg in die Mobilitätswende

Graffiti mit zeigenden Händen

Mobilitätswende als Chance

Standortmarketing als Türöffner

Viele Standortbetreiber, deren Umsätze vom Besucheraufkommen abhängen, verbinden Erreichbarkeit und Zugänglichkeit leider noch sehr eng mit der Größe des Parkplatzes. Dabei kann eine alltagsnahe Kundenansprache durch alternative Marketing-Maßnahmen für solche Orte potenziell der erste Berührungspunkt mit einer modernen Denkweise im Themenfeld Mobilität sein.
Das klingt erstmal gegensätzlich – es kann aber auch zur Chance für den Einstieg in die Verkehrswende werden, wenn man eine auf Mobilität ausgerichtete Kampagne richtig gestaltet und die folgenden Punkte beachtet.

Wie Menschen wann und wo unterwegs sind, spielt bei der Kampagnenerstellung eine zunehmend wichtige Rolle. Damit meinen wir tatsächlich die Berücksichtigung der individuellen Mobilität als Kontextsituation für das Marketing. Beispiele dafür sind immer mehr Einstellungsoptionen und Ausgabeformate bei Online Marketing Plattformen, die auf Raum und Mobilität gemünzt sind. Und in Zeiten der Digitalisierung ist es letztendlich auch eine grundsätzliche Fragestellung, die uns motiviert:

Wie erreicht man eine Belebung von Geschäftsstraßen und Innenstädten in Zeiten von Online-Shopping und Geschäftszentren auf der grünen Wiese?


Wir sehen mobilitätsbezogenes Marketing als einen Weg, die gedachte und erfahrene Zugänglichkeit dieser Orte zu verbessern – in einer Form bei denen Besucherinnen, Standorte und Mobilitätsanbieter gemeinsam profitieren. Vorbild ist die seit Dekaden sich verbessernde Usability im Online-Handel – nur auf die Mobilität und die reale Zugänglichkeit von Standorten übersetzt. Digitalisierung und Mobilitätswende: Zwei gute Gründe also sich aktuelle Möglichkeiten für mobilitätsbezogene Kampagnen näher anzuschauen.


Die Toolbox

POI-Kampagnen

Informationen über POIs durch Online-Marketing ortsbasiert und mit mobilitätsbezogenen Nutzermerkmalen streuen.

Angebotskampagnen

Marketingbezogene Bestellung von Kleinstfahrzeugen (z. B. Bike-Taxen, E-Scooter, Bürgerbusse).

ÖV-Außenwerbung

Out-of-Home-Werbung an Bahnhöfen, Bushaltestellen, Leihfahrrädern oder Mobilitätsstationen.

Bonus-/Anreizsysteme

Ortsbasierte Angebote in den Bonus- oder Anreizsystemen der Mobilitätsanbieter (z. B. BahnBonus, Rad+).

Einbindung von Apps/Diensten

Einbindung von ortsbezogenen Informationen und Anreizen in Mobilitäts-Apps und -Dienste.

Verkehrsinfrastruktur

Marketing durch Ladeinfrastruktur, Shared-Mobility-Stationen oder ÖV-Haltestellen an den Filialstandorten.

Die Beispiele

Ein Carsharing-Auto geparkt vor einer Großstadtmauer

Beispiel: Einbindung von Diensten

Ein gutes Beispiel für die Einbindung von Mobilitätsdiensten zur Verbesserung der Standorterreichbarkeit sind die Deals des Free-Floating-Carsharing-Anbieters Miles. Mit seinem "toom Deal" können Miles-Kunden zu einer toom-Filiale fahren und erhalten das Zwischenparken erstattet – zumindest für eine Stunde.





Screenshot von Google Maps mit POI-Hinweis

Beispiel: POI-Kampagnen

Wenn es um Marketing geht, gibt es in der Regel keinen Weg am Branchenprimus Google vorbei. Das gilt auch für POI-Kampagnen. Dabei spielt der Werberiese seine dominante Marktstellung bei Kartendiensten durch seine App Google Maps aus. Seit circa einem Jahr werden Google-Maps-Nutzer:innen auch bei der Routennavigation "genudged" – also im Verhalten beeinflusst.





Ein Bike-Taxi vor einer LEH-Filiale

Beispiel: Angebotskampagnen

Die Kampagne "Edeka leuchtet" wurde von Bike-Taxi Berlin konzipiert und durchgeführt. Dabei fuhren Fahrradtaxen gratis Kund:innen vom Supermarkt nach Hause, um Menschen in den angrenzenden Kiezen der Filiale im Sinne der Kundengewinnung und Kundentreue anzusprechen.





Stadt und Land

Auch wenn die obigen Beispiele prinzipiell auf die Großstadt bezogen sind, gibt es viele Optionen und Gestaltungsfreiräume für eine Umsetzung auf dem Land oder in kleineren Städten im ländlichen Raum. Im Rahmen des Projekts Mobilitätscampus des Smart Village e. V. erheben wir die Möglichkeiten in Bad Belzig und Wiesenburg im sehr ländlich geprägten Hohen Fläming.

Logo von Smart Village e. V.
Logo vom Mobilitätscampus Klein Glien

Best Practice: Rossmanns autofreier Samstag

Im Jahr 2022 organisierte Rossmann eine interessante Kampagne namens "autofreier Samstag bei Rossmann". Ziel war es, „einen attraktiven Anreiz [zu] schaffen, das Auto – wo es möglich ist – stehen zu lassen“. Umgesetzte Maßnahmen waren:

  • Bei Nennung des Stichworts ‚autofrei‘ an der Kasse wurde 10 % Nachlass gewährt.
  • Weitere 10 % Nachlass gab es bei der Aktivierung eines Coupons in der Rossmann-App.
  • Die Aktion wurde im Radio und über BILD-Zeitungsanzeigen beworben.
  • Rossmann stellte drei Velo-Taxis in Berlin bereit, um Einkäufer:innen zu "chauffieren".
  • Auch eine kurzfristige Umwidmung einer Parkbucht mit Liegestühlen war Teil der Kampagne.

Unterm Strich zog Rossmann eine sehr positive verkehrliche Bilanz: Laut Pressebericht kamen 0,5 Mio. Personen tatsächlich am Aktionstag ohne Pkw an. Die überschlägige Berechnung der eingesparten CO₂-Emissionen ergab 300 Tonnen bei einer vermiedenen Verkehrsleistung von 1,25 Mio. gefahrenen Kilometern. Die Grundannahmen der Berechnung werden in der Pressemitteilung transparent aufgeführt.

Gefahr des Greenwashings

Aus unserer Sicht wurde bei dieser Kampagne vieles richtig gemacht: Es wurden pragmatische Anreize geschaffen, mit den Bike-Taxen und den umgewidmeten Parkbuchten kleine, kampagnenartige Angebotsakzente gesetzt, weitere Kommunikationskanäle genutzt sowie eine zeitnahe Bilanzierung der Aktion veröffentlicht.

Dennoch bleibt das Gefühl, dass die Aktion langfristig in ihrer verkehrlichen Wirkung verpufft. Jede Person, die an der Kasse das Stichwort sagte, profitierte vermutlich vom Rabatt. Auch wenn wir vertrauensbasierte Maßnahmen sehr schätzen, sind sie doch anfällig für Missbrauch. Zudem waren die gewählten Maßnahmen sehr temporär und ohne erkennbare Kontinuität.

Eine mögliche Neuauflage

Mit den folgenden Maßnahmen könnte man bereits morgen gut mit einer entsprechenden Kampagne starten und die Anfälligkeit für Greenwashing durch konkrete Aktionen reduzieren:

  • ÖV-Außenwerbung an Stationen mit direkten Hinweisen zur POI-Anreise mit dem ÖV
  • Anreizsysteme wie Rad+ oder Klimataler einbinden, die den Modal-Shift belohnen
  • Digitale Einbindung von Shared-Mobility-Anbietern über Geozonen mit freien Zwischenstopps
  • Mobilitätsbezogene Google Ads Kampagnen –hier ist umrissen, wie wir das machen
  • Einbettung von Mobility-as-a-Feature-Diensten in die eigenen Rabatt-Apps
  • Aufstellung einer Mobilitätsstation, z. B. von Evhcle als Infrastrukturmaßnahme

Aus unserer Sicht wäre eine Übertragung oder Neuauflage der Aktion ein guter Start für POS im Bereich Mobilitätswende. Eine solche Kampagne stellt eine zukunftsweisende und niedrigschwellige Möglichkeit für den Einzelhandel dar, um Ideen auszuprobieren, Erfahrungswerte zu sammeln und gleichzeitig in der öffentlichen Wahrnehmung hervorzustechen.